Ergebnis 21 bis 40 von 62
Thema: Das Terrordilemma
-
21.10.2016, 22:28 #21HardAndSoft
AW: Das Terrordilemma
-
-
21.10.2016, 22:30 #22Krankfried
-
21.10.2016, 22:32 #23
-
21.10.2016, 22:34 #24Krankfried
-
22.10.2016, 17:38 #25Cao Cao
AW: Das Terrordilemma
Einerseits kann ich die Aktion nachvollziehen, wenn man 164 Personen mit 70.000 vergleicht.
Andererseits hat er sich damit über den Befehl der Vorgesetzten hinweggesetzt.
Für viele wird er sicherlich ein Held sein, aber für genau so viele würde er geächtet werden.
Ob man ihn verurteilen sollte? Bezogen darauf, das er gegen den Befehl gehandelt hat ja.
Ob man ihn für das töten der Menschen hingegen verantwortlich machen kann, ist da schon schwerer. Wie wahrscheinlich war es, das die IS ihre Tat umsetzt? (Schreibt man dadurch den IS eigentlich die vorgehabten Tötungen gut?)
Hätte man den Anschlag anderweitig verhindern können? Wenn nein, dann wären diese Leute so oder so zum sterben verdammt, denn so ein Absturz überleben die wenigsten.
Ist schon schwierig, da ein faires Urteil zu fällen. Was hätten wir an seiner Stelle gemacht? Nach Befehl gehandelt, und dabei zugesehen wie Flugzeug in ein Stadion reinknallt?
Etwas gutes hätte es gehabt, wenn er diese Handlung nicht begangen hätte. Verantworten müsste er sich dann nicht, sondern seine Vorgesetzten.
Er hat also sich das ganze selbst zuzuschreiben.
-
22.10.2016, 21:38 #26HardAndSoft
AW: Das Terrordilemma
Um das Ganze nochmals zusammen zu fassen.
Dank Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist die Sache rechtlich ganz klar: Der Pilot durfte nicht schießen.
Die eigentliche Frage ist also keine juristische, sondern eine gesellschaftliche:
Wollen wir eine Gesellschaft, in der Geiseln gezielt abgeknallt werden dürfen? Denn nichts anderes hat der Pilot getan.
Wollen wir eine Gesellschaft, in der der Zweck die Mittel heiligt, und das Recht des Stärkeren gilt? Den Zweck definieren dann schon rechtzeitig andere für uns.
Wo ziehen wir die Grenze? Ein geopfertes gegen Tausend gerettete Leben? Eines gegen hundert? Eines gegen zehn? Eines gegen zwei?
Eine Gesellschaft, die derartigen Zahlenspielen huldigt, hat ihre Menschlichkeit verloren und handelt nur noch mechanistisch. Der Computer rechnet: 2 sind mehr als 1, also opfere ich das eine Leben. Der Mensch kann sich im Gegensatz zum Computer auch eingestehen, dass es für bestimmte Probleme keine Lösung gibt.
Eine Gesellschaft, in der, "natürlich nur für einen guten Zweck", das Leben unschuldiger Menschen keine Rolle mehr spielt, ist nicht die meinige.
Mir graust davor, wie leichtfertig hier die Menschen im Flugzeug als reiner Störfaktor angesehen werden.
-
22.10.2016, 21:51 #27Cao Cao
-
22.10.2016, 22:03 #28HardAndSoft
AW: Das Terrordilemma
Wie gesagt: Rechtlich ist das Thema gegessen; es gibt m.E. keine andere juristisch einwandfreie Alternative.
Die Frage ist gesellschaftlich: Wollen wir unser Recht so ändern, dass es zukünftig möglich wird, Geiseln bzw. unbescholtene Mitbürger durch den Staat töten zu lassen.
Bei einem Verhältnis von 250 Opfern zu 70.000 Geretteten scheint alles klar zu sein. Aber wie sieht es beim Verhältnis 1:1 aus?
Das wäre nämlich dann die logische Konsequenz: Dass wir wertvolles und weniger wertvolles Leben definieren müssten.
Darf man einen Hartz IV-Empfänger abknallen, weil er im Schussfeld des Scharfschützen steht, wenn ein Terrorist das Gewehr auf einen Spitzenpolitiker anlegt?
Oder wenn der Terrorist auf einen Erfinder anlegt, der als einziger weiß, wie man ein Heilmittel gegen den Krebs schaffen kann? Darf man dann die Oma umnieten, die leider mit ihrem Rollator das Schussfeld des Polizeischützen verdeckt?
Ich finde, diese Büchse der Pandora sollten wir geschlossen lassen.
-
22.10.2016, 22:16 #29frable
AW: Das Terrordilemma
Rein rechtlich ist es auch richtig, dass er verurteilt wird/werden würde. Man muss die Umstände auch weiterdenken. Die meisten bewerten diesen einen Fall und denken: "Die Leute im Flugzeug sterben sowieso, von daher ist das okay." Das mag für diesen speziellen Fall vielleicht auch vertretbar sein. Mal abgesehen davon, dass die Annahme das die Menschen im Flugzeug ohnehin sterben müssen nur eine Vermutung sein kann - schließlich könnte es u.U. auch dazu kommen, dass sie nicht sterben - muss man sicher auch hinterfragen, welche Auswirkungen das auf anderen Gebieten hätte. Würde man es in diesem Fall rechtlich zulassen, dann würde sich das auch auf andere rechtliche Fälle auswirken. Stellt euch mal vor man würde in jedem Fall die Leben gegeneinander aufwiegen oder gar nichts mehr tun, weil die betroffenen Menschen ohnehin sterben. Klingt vielleicht etwas überspitzt, aber das hätte fatale Folgen für unsere Gesellschaft.
Gerade weil es in der Welt der Dinge nichts gibt, was den Wert des sich frei verantwortenden Menschen übersteigt, kommt keine Sache, sondern bestenfalls ein Gott als überlegene Macht infrage. Doch auch für ihn muss man sich frei entscheiden können. Die praktische Konsequenz von Kants metaphysischer Einsicht ist, dass ein Menschenleben durch nichts aufgewogen werden kann. Eine Person hat keinen "Marktpreis"; sie ist jedem Gegenstand - er mag noch so kostbar erscheinen - überlegen.
Will man nämlich gestatten, dass ein entführtes Flugzeug mit unbeteiligten Dritten an Bord abgeschossen werden darf, muss man eine schlichtweg unzulässige Abwägung vornehmen, indem man entscheiden muss, welches Leben wichtiger ist, das der am Boden befindlichen, zu rettenden Personen oder das der an Bord befindlichen Personen. Diese Abwägung von Leben gegen Leben ist nicht durchführbar, da man nicht sagen kann, welches Leben wertvoller ist. Ein verfassungsrechtlich ähnlich gelagerter Fall ist, ob man zur Verhinderung eines schweren Verbrechens einen Wissensträger foltern darf oder ihm die Gewalt androht. Der Polizist, der dem gefassten Entführer Gewalt androhte, um den Ort des entführten Kindes zu erfahren, damit dieses gerettet werden kann, wurde wegen versuchter Nötigung verurteilt. Alles in allem verbleibt eine unerträgliche Rechtsunsicherheit, denn der Polizist, der ein in Lebensgefahr befindliches Kind retten will und dem Entführer Gewalt androht, und auch der Pilot des Kampfflugzeuges, der eine Rakete auf ein Zivilflugzeug abfeuert, um zu verhindern dass dieses in ein volles Fußballstadion schlägt, beide verstoßen gegen das Gesetz und machen sich strafbar wegen versuchter Nötigung oder Totschlags. Beide müssen in einer Situation eine Entscheidung treffen. Wenn sie sich - was dem Gefühl der meisten Menschen entsprechen dürfte - richtig verhalten und Gewalt androhen oder die Rakete abfeuern, können sie allenfalls mit einer geringeren Bestrafung rechnen.
Quelle 1: Ethik - Ist jedes Leben gleich viel wert? - Wissen - S
Quelle 2: Bundesverfassungsgericht: Abschuss entführter Flugzeuge mit Unbeteiligten an Bord in Deutschland unzulässig, 1 BvR 357/05
-
22.10.2016, 22:31 #30Cao Cao
AW: Das Terrordilemma
Man kann das beste daraus machen, und den Leuten sagen das sie das Stadion räumen sollen, nur wird durch die Massenpanik das ganze auch ein Problem werden. Während man dort evtl. noch etwas vorgreifen kann, sind die Personen im Flugzeug zum sterben verdammt, so hart wie sich das anhören mag.
Niemand hat das Recht unschuldige Leben auszulöschen. Jeder Mensch ist "gleich" wert. Nur ist dann natürlich die Frage: Sind 10 Menschen mehr wert als 1?
Sind diese Menschen aus staatlicher Sicht entbehrlich? Das sind Fragen die man nicht stellen sollte, nur muss man hier ja schnell handeln. Das lässt nicht viele Möglichkeiten zu. Im oben genannten Fall sehe ich in erster Linie Befehlsverweigerung. Kann man ihn nun des 164fachen Mordes anklagen?
Ich sage nein, weil ein solcher Fall einen Ausnahmezustand ausrufen würde, und dadurch einige Gesetze entkräftet werden können.
Ich würde ihn verurteilen, aber nicht zu einenr Gefängnisstrafe, aufgrund der Sachlage.
Am Ende stehen wir da ohnehin nicht drüber, und die Justiz muss entscheiden wofür sie sich entscheidet.
Ein Flugzeug in denen sich Männer, Frauen, darunter auch Kinder befinden. Ich wüsste nicht, was ich tun würde. Evtl. würde ich es genau so machen, aber vielleicht würde ich es auch trotz Befehl wiederum nicht tun.
Der Pilot ist ein geächteter Held.
Durchaus, aber dazu müsste der Flieger schon eine recht saubere Landung aufn Hudson River machen, oder auf eine Autobahn.
Bei einen Frontalzusammenstoß werden sie hingegen auf jeden Fall sterben, da gibt es eigentlich kein "Die könnten nicht sterben".
Die Leute sind so dermaßen entstellt, das man sie gar nicht mehr als Menschen definieren könnte. Da herrschen Kräfte, die einen Menschen, unabhängig davon WO er im Flieger ist, nicht mal ansatzweise standhalten könnte.
Die Leute denken immer, das alles so wie in Filmen ist und man die Leute noch identifizieren kann. So schwer könnten demnach keine Flugzeugabstürze sein, und deshalb könnten viele auch noch leben. Jemand der vor einen 200km/h fahrenden ICE steht, überlebt das auch nicht, wenn er nicht rechtzeitig ausweicht. Das ist absolut unmöglich.
-
22.10.2016, 23:10 #31frable
AW: Das Terrordilemma
Das tut aus meiner Sicht nichts zur Sache! Dein Beitrag selber gibt schon her, dass es ein potentielle Chance gäbe - mir ist klar, dass diese sehr gering ist. Ich bin nich blöd ^^. Wer will sich aber das Recht herausnehmen diese Menschen in den Tot zu schicken? Wer ist Herr über Leben und tot? Die Kanzlerin? Der Bundespräsident? Selbst bei einer minimalen Chance halte ich das abwägen für unvertretbar.
Du nimmst eine Zeile meines Beitrags und lässt alles andere außer acht. Ich wiederhole bereits mehrmals, dass es in diesem Fall vielleicht einigen als legitim erscheint. Abgesehen von den ganzen Spekulationen geht es mir vor allem um die Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Dann müsste man ja fortan so viele Sachverhalte in Frage stellen. Ich gebe mal ein weiteres Stichwort: Trolley-Problem!
Ein Güterzug droht wegen falscher Weichenstellung auf einen vollbesetzten stehenden Personenzug aufzufahren. Ein Weichensteller erkennt die Gefahr und leitet den Güterzug auf ein Nebengleis um, so dass dieser in eine Gruppe von Gleisarbeitern rast, die alle zu Tode kommen. Wie ist die Strafbarkeit des Weichenstellers zu beurteilen?
Der Weichensteller befindet sich in einer aussichtslosen Situation, klar. Menschen sterben immer. Er kann dann vielleicht für sich sagen, dass er besser fünf als 100 sterben lässt. Das wäre wahrscheinlich auch die bessere entscheidung. Nichts desto trotz muss man immer bedenken, dass Menschen sterben. Dabei lassen wir die Ursachen mal außer Acht. Irgendwo muss natürlich vorher schon jemand versagt haben; aber die Probleme hat nunmal dieser Weichensteller. Letztlich muss sich dafür jemand verantworten. Da kann man doch nicht sagen, dass er alles richtig gemacht hat. Wie gesagt, erkläre das mal den jungen der sein Papa dadurch verloren hat. Dieses Beispiel eignet sich besser darüber nachzudenken, da es sich nicht um eine kriminelle Machenschaft handelt. Hier hat vorher jemand versagt und dann tritt eine so aussichtslose Situation ein.
Quelle: Wikipedia.org
-
22.10.2016, 23:25 #32Jonny Knox
AW: Das Terrordilemma
Je nach dem, wie früh und sicher das Stadion als Ziel bekannt wäre, würde es auf jeden Fall zu aller erst evakuiert werden. Egal wie groß die Chance einer Massenpanik wäre.
Jeder Verantwortliche, der diesen Schritt unterlassen würde, wurde ziemlich sicher wegen fahrlässigen Totschlags oder unterlassener Hilfeleistung oder sonst was (da kennen ich Juristen dann besser aus) angeklagt werden.
Und die Aussage, dass die Passagiere ja nicht zwangsläufig sterben müssen, bezieht sich imo eher darauf, dass sie die Entführer ja auch noch überwältigen und das Flugzeug somit "zurückerobern" und vorm Absturz bewahren könnten. ;-)
-
22.10.2016, 23:31 #33frable
AW: Das Terrordilemma
Genau! Ich verstehe, dass es total blöd und abwegig klingt. Die Chance ist echt sehr sehr gering, völlig klar. Aber das muss man auch beachten. Stell dir mal vor man würde das Flugzeug abschießen und hinterher würde herauskommen, dass die Passagiere geplant haben das Flugzeug zurück zu erobern. Im heutigen Zeitalter durch WhatsApp nicht unwahrscheinlich, dass hinterher solche Fakten übereinstimmend vorhanden wären. Das muss man einfach alles mit beachten.
Wobei ich das Problem eher beim Recht sehe. Menschen in den sicheren tot zu schicken, um andere zu retten. Aus meiner Sicht steht es dem Staat nicht zu dies zu entscheiden.
-
23.10.2016, 00:07 #34Cao Cao
AW: Das Terrordilemma
Eine Chance, vergleichbar mit nen 6er im Lotto....
Das Problem an der ganzen Sache ist doch eher, das man die Verantwortung nicht auf seinen Schultern tragen möchte. Lassen wir das Szenario passieren, sterben alle 164 Passagiere (-1 Glückspilz der das überlebt) und von den 70.000 sagen wir mal 10.000 Leute. Man gibt dann den IS die Schuld, da dieser diese Tat verübt hat.
Schießt man nun das Flugzeug ab, hat der IS immer noch Schuld, da sie ihr Ziel unbedingt umsetzen wollen.
Am Ende wird ohnehin der Staat die Verantwortung dafür übernehmen müssen, schließlich ist jeder Anschlag ein Versagen unserer gewährleisteten Sicherheit.
Weil ich einen Teil schon an @HardAndSoft geschrieben hatte, und ich es unsinnig finde etwas erneut zu schreiben.
Ich wollte nur auf deinen Teil mit den möglichen Überlebenen hinaus, weil das eher mit Wunschdenken als mit der Realität zu tun hatte.
Am Ende wird man diese Leute nicht retten können, und nun streitet man sich darum:
-Wir wollen nichts tun, weil wir nicht das Recht haben Unschuldige zu töten, selbst wenn das heißt das dadurch noch mehr Menschen sterben.
Um unsere Hände also reinzuwaschen, lassen wir es einfach passieren. Wir lassen etwas passieren, das wir hätten teilweise verhindern können.
Ich verstehe, das man das Flugzeug nicht abschießt aufgrund von moralischen, und gesetzlichen Vorgaben.
Leider schneidet sich damit allerdings jeder selbst ins Fleisch, denn man hätte was tun können um größere Schäden zu vermeiden.
Die Befehlsgewalt wird dafür die Verantwortung übernehmen müssen. Nicht für das Flugzeug, sondern für die Menschen die im Stadion ihr leben ließen.
Ich habe es schon verstanden, nur gibt es in diesen Fall keine Möglichkeit das keine Menschen sterben. Es gibt nur: Menschen sterben und noch mehr Menschen sterben.
Die Rechtslage mag vielleicht eindeutig sein, aber logisch ist sie in keinster Weise. Man sollte sich da vielleicht mal was anderes einfallen lassen.
Ansonsten:
Letztlich könnte ein Abschussbefehl also nur auf den höchst umstrittenen übergesetzlichen Notstand gestützt werden. Dieser macht das Handeln aber nicht rechtmäßig, sondern entschuldigt unter engen Voraussetzungen (vgl. das Trolley-Problem) rechtswidriges Handeln. Der übergesetzliche Notstand ist also im juristischen Sinne keine Rechtsgrundlage für den Abschuss von entführten Passagierflugzeugen. Dementsprechend lautet die Empfehlung des Bundeswehrverbandes und des VBSK, einen entsprechenden (rechtswidrigen) Abschussbefehl nicht auszuführen.[12] Nach § 11 Abs. 2 SG darf ein Soldat einen Befehl nicht ausführen, wenn dadurch eine Straftat begangen würde.
Anders als beim rechtfertigenden Notstand bleibt die tatbestandsmäßige Handlung beim entschuldigenden Notstand gemäß § 35 StGB rechtswidrig. Allein die persönliche Vorwerfbarkeit und der damit verknüpfte Schuldvorwurf sind soweit herabgesetzt, dass von einer Bestrafung abgesehen wird, weil ein Entschuldigungsgrund vorliegt.
Somit wäre ein solches Handeln zwar rechtswidrig,aber würde nicht bestraft werden. Die Frage ist nur, ob das noch diesen Bereich abdeckt.
Mal ein anderes Beispiel:
Wenn man das Flugzeug fernlenken kann (Aber nur minimal so das eine sichere Landung ausgeschlossen ist), wären die Leute dann auch schuld daran, das diese Menschen gestorben sind? )
Wenn man die Zeit dazu hat, wäre das der notwendigste Schritt. Man will schließlich die Schäden so gering wie Möglich halten.
Eine Flugzeugübernahme bei Terroristen die bereits mit ihrem Leben abgeschlossen haben?
Das klappt vielleicht bei Geiselnehmern die nicht vor haben zu sterben, aber bei solchen Leuten eher unwahrscheinlich.
-
23.10.2016, 00:59 #35HardAndSoft
AW: Das Terrordilemma
Den entschuldigenden Notstand gibt's nur, wenn Du selbst, Deine Familie oder Freunde bedroht sind.
Ein typischer Fall hierfür wäre, wenn Dich der Entführer Deiner Kinder zwingt, eine Bank zu überfallen, mit der Drohung sonst tötet er die Entführten. Der Banküberfall ist dann immer noch strafbar, aber man schickt Dich nicht dafür in den Knast.
Beim rechtfertigenden Notstand muss am Ende jemand unabhängiges nach Abwägung von Schaden und Nutzen zu dem Schluss kommen, dass der Nutzen überwiegt und das Mittel angemessen war. Da das BVerfG aber gerade diese Abwägung bei Menschenleben untersagt hat, gibt es hier auch keinen rechtfertigenden Notstand.
Man muss sich von der Vorstellung lösen, dass es auf alles eine Antwort gibt. Die in Art. 1 festgelegte Menschenwürde, also das Fundament des Grundgesetzes, verbietet die Aufrechnung von Menschenleben. Damit ist ein Abschuss tabu.
EDIT: Der einzige Fall, in dem ich mir sowas wie entschuldigenden Notstand vorstellen könnte wäre, wenn ein Stadionbesucher den Anflug des Flugzeuges erkennt und die Piloten so mit einem Laserpointer blendet, dass das Flugzeug das Stadion verfehlt.
-
23.10.2016, 02:14 #36frable
AW: Das Terrordilemma
Habe dem nichts hinzuzufügen. Gleiches hätte ich auch geschrieben.
Ich bin und bleibe der Meinung, dass es niemanden zusteht zu entscheiden wer leben darf und wer nicht. Die Anzahl ist da kein Faktor - außer vielleicht in der eigenen Abwägung.
-
23.10.2016, 02:57 #37Eisuke261990
AW: Das Terrordilemma
Leute die hier mal wieder mit dem "Recht" argumentieren, verstehen die Diskussion nicht und auch nicht das Theaterstück von Von Schirach...
Ich bin selber einer, der extrem aufs Gesetz und das Recht pocht ... aber Von Schirach wollte eben mit seinem Stück aufzeigen, dass man nicht immer anhand von "Gesetzen" entscheiden kann. Das Volk z.B. hat ja in der Abstimmung den Abschuss des Majors toleriert.
Dass man ihn nach heutigem Recht dafür bestrafen müsste steht glaube ich nicht zur Debatte. Der Punkt war nur, ob das Volk seine Handlung nachvollziehen kann und ob eigene Moral manchmal doch mehr Wert ist als das Gesetz.
Erst, wer diese Diskussion versteht, versteht auch das Werk und hört auf darüber auf "sachlicher" Ebene zu diskutieren.
Denn die Diskussion will eher keine sachliche Behandlung, sie will eher eine "menschliche" und kritische Behandlung.
-
23.10.2016, 04:18 #38Jonny Knox
AW: Das Terrordilemma
Und wenn man jetzt sagt, rechtlich ist es nicht okay, menschlich aber schon - wo müsste man noch diskutieren? ;-)
Für die, die das rechtlich betrachten und sagen, man müsste den Piloten bestrafen bzw es müsste zumindest zu einem Schuldspruch kommen, ist es ja ebenso eine "menschliche" Betrachtung. Nämlich die, dass es in unserer Zivilisation Gesetze gibt, die man befolgen sollte. Dass die Umstände der Tat dennoch mildernd wirken, bestreiten ja glaube ich niemand ernsthaft.
Im Thementitel steht nicht ohne Grund "Dilemma"...
-
23.10.2016, 10:26 #39Max @ home
AW: Das Terrordilemma
[ARD-Themenabend Terror: Populisten-Porno - Medien - Heribert Prantl - Süddeutsche]
Ich habe diesem Themenabend ebenfalls beigewohnt. Was mir als Laie in dem Moment nicht bewusst war:
Heribert Prantl:
Was mich in der nachfolgenden Diskussion störte und stört, ist der Begriff des "Abwägens", den ja auch Prantl anführt. Es geht in diesem Fall ja nicht um Abwägung. Die Frage, ob man 70.000 Menschen statt 164 Menschen retten sollte, ist meines Erachtens daher genauso unpassend wie nahezu sämtliche angestellte Vergleiche (so z. B. das Trolley-Problem oder die Gegenüberstellung von Hartz-IV-Empfänger und Spitzenpolitiker). Hier stellte sich ja vielmehr die Frage, ob man todgeweihtes Leben mit minimaler Restüberlebenschance minimal verkürzen darf, um anderes Leben zu retten.
Da führte ich mir am Abend schon ein bisschen die Verhältnismäßigkeit vor Augen: Auf einen Flugzeugpassagier kommen zusätzlich 426 Stadionbesucher und auf einen Angehörigen zusätzlich 426 Angehörige. Ich rechnete mir das in Kombination mit der zeitlich straffen Entscheidungsfrist des Piloten, der unausweichlichen Katastrophe und der generellen moralischen Frage aus. So kam es, dass ich mir am Abend den Freispruch zusammenbastelte.
Jetzt ist das Ganze für mich halt einfacher: Der Pilot ist schuldig, das Strafmaß würde ich aber sehr tief oder gar tiefstmöglich ansetzen. Er hat in einer Extremsituation eine schwere Straftat begangen, dafür aber Leben gerettet. Er sah nicht nur das Lebensrecht der Passagiere, sondern auch das der Stadionbesucher. Und er handelte uneigennützig.
Hätte man wirklich abwägen müssen, sähe das aber für mich schon wieder ein bisschen anders aus. Da hätte ich persönlich in der Tat größere Schwierigkeiten, das für mich zu beurteilen.
-
23.10.2016, 11:28 #40frable
AW: Das Terrordilemma
Da hast du mir nun das zweite mal die Worte aus dem Munde genommen . So ist es. Diese Frage beschäftigt unser Recht schon seit viele Jahren, auch das besteht immens viel Diskussionbedarf. Aus meiner Sicht gäbe es dann auch von menschlicher Seite keine Diskussion, der Pilot hat völlig richtig gehandelt. Für sich selber hat er die richtige Entscheidung getroffen, denn es haben mehr Menschen überlebt. Hätte er das Flugzeug nicht abgeschossen, gäbe es mehr tote. Wenn man so will gibt es da auch nichts zu diskutieren; ich glaube nicht, dass hier irgendjemand es besser gefunden hätte das Flugzeug in die Arena krachen zu lassen.
Dem kann ich mich teilweise anschließen bzw. mir fehlt da etwas . Dein Gedankengang ähnelt sehr den Fall Magnus Gäfken, indem der Polizist auch nur eine milde Strafe bekommen hat. So sollte es auch sein, dem stimme ich zu! Aber Straffrei kann man ihn, aus rechtlicher Sicht, natürlich nicht herausgehen lassen. Der Pilot selber hat eine völlig richtige Entscheidung getroffen, klar. Auch beim Trolley Problem wäre es absolut richtig die Wiche so zu stellen, dass die wenigsten Menschen sterben. Ich glaube das ist auch indiskutabel. Nichts desto trotz hat man Menschenleben auf dem Gewissen. Der Pilot befindet sich noch in einer ganz anderen Situation, da es ein entführtes Flugzeug ist.
Mit zwei Dingen habe ich jedoch ein 'Problem(chen)'. Zum einen bin ich der Meinung, dass der Staat eine solche Entscheidung nicht treffen darf. Der Staat darf nach unserem Grundgesetz keinen Menschen als bloßes Objekt behandeln. Würde man es in diesem Fall zulassen hätte es viel weitreichendere Folgen für viele andere Bereiche; glaube das habe ich schon mal erwähnt . Einzig und allein das wollte ich verdeutlichen. Soldaten oder Polizisten handeln nunmal in hoheitlichen Auftrag.
Zum anderen geht es hier sehr wohl darum, Menschenleben abzuwägen. Der Pilot hat nichts anderes gemacht. Er muss es sogar machen. Mit seinen Abschuss tötet er nunmal Menschen, um anderen das Leben zu retten. Er hat für sich allein, als Mensch, die richtige Entscheidung getroffen. Es ist eine Dilemma Situation und rein rational betrachtet steht mit dieser Entscheidungen auf der 'Habenseite' hinterher mehr. Aber der Staat darf diesen Abschuss eben nicht per Gesetz oder hoheitlichen Befehl anordnen. Mit dieser Unterscheidung würde ich dir auch zustimmen .
Hier nochmal ein Auszug aus den Urteil des BVerG. Es zeigt warum es so wichtig ist, dass der Staat diese Anordnung eben nicht treffen darf:
In der Situation, in der sich diese Personen in dem Augenblick befinden, in dem die Anordnung der unmittelbaren Einwirkung mit Waffengewalt auf das in den Luftzwischenfall verwickelte Luftfahrzeug gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 LuftSiG erfolgt, muss nach § 14 Abs. 3 LuftSiG davon auszugehen sein, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll. Das Luftfahrzeug muss, wie es in der Gesetzesbegründung heißt, von denen, die es in ihre Gewalt gebracht haben, zur Angriffswaffe umfunktioniert worden sein (vgl. BT-Drucks 15/2361, S. 20 zu § 13 Abs. 1), es muss selbst von den Straftätern als Tatwaffe, nicht lediglich als Hilfsmittel zur Tatbegehung zielgerichtet gegen das Leben von Menschen verwandt werden (vgl. BTDrucks 15/2361, S. 21 zu § 14 Abs. 3), die sich in dem Bereich aufhalten, in dem das Luftfahrzeug zum Absturz gebracht werden soll. In dieser Extremsituation, die zudem durch die räumliche Enge eines im Flug befindlichen Luftfahrzeugs geprägt ist, sind Passagiere und Besatzung typischerweise in einer für sie ausweglosen Lage. Sie können ihre Lebensumstände nicht mehr unabhängig von anderen selbstbestimmt beeinflussen.
Dies macht sie zum Objekt nicht nur der Täter. Auch der Staat, der in einer solchen Situation zur Abwehrmaßnahme des § 14 Abs. 3 LuftSiG greift, behandelt sie als bloße Objekte seiner Rettungsaktion zum Schutze anderer. Die Ausweglosigkeit und Unentrinnbarkeit, welche die Lage der als Opfer betroffenen Flugzeuginsassen kennzeichnen, bestehen auch gegenüber denen, die den Abschuss des Luftfahrzeugs anordnen und durchführen. Flugzeugbesatzung und -passagiere können diesem Handeln des Staates auf Grund der von ihnen in keiner Weise beherrschbaren Gegebenheiten nicht ausweichen, sondern sind ihm wehr- und hilflos ausgeliefert mit der Folge, dass sie zusammen mit dem Luftfahrzeug gezielt abgeschossen und infolgedessen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit getötet werden. Eine solche Behandlung missachtet die Betroffenen als Subjekte mit Würde und unveräußerlichen Rechten. Sie werden dadurch, dass ihre Tötung als Mittel zur Rettung anderer benutzt wird, verdinglicht und zugleich entrechtlicht; indem über ihr Leben von Staats wegen einseitig verfügt wird, wird den als Opfern selbst schutzbedürftigen Flugzeuginsassen der Wert abgesprochen, der dem Menschen um seiner selbst willen zukommt.
Mal schauen, was man sich unter "ernstem Ton" vorstellen kann. Ich hoffe es wird kein düsterer Film wie Man of Steel, würde mir einen...
Superman Legacy