Azad
Alles oder Nix!
Was habt ihr gegen Xatar? Habt ihr das Album gehört? 4 Kronen von der Juice. Außerdem hat es Staiger auch gut bewertet.
Ihr habt wahrscheinlich nur 1, 2 Lieder gehört.
[YOUTUBE]http://www.youtube.com/watch?v=ColNuAdn89c[/YOUTUBE]
Alles oder Nix übernimmt!
Review von Stillzeit
Xatar – Alles oder nix
Ich wusste ja ehrlich gesagt nicht wirklich was mich erwarten würde, als ich die CD einlegte. Zugegeben, ich hab im Vorfeld nicht mit dem besten gerechnet, dachte eher an eine weitere, gewöhnliche, deutsche Gangstarap-Platte.
Beim „Intro“ zuckten jedoch meine Augenbrauen zum ersten mal, als mich nicht etwa so ein hingerotzter, pseudo-aggressiver Pitbull empfing, sondern Jetsett Mehmet in Form eines Showmoderators - und ich sag euch, Jetsett Mehmet macht einen fantastischen Job. Ernsthaft, der Moderator ist schon cool gemacht, streut immer wieder kleine, unwichtige Stories in seine Moderation ein und wirkt ein ums andere mal vielleicht sogar ein bisschen verstrahlt und positiv-trashig. Unterstützt wird er von einer recht coolen Musikunterlegung. Dann kommt Xatar das erste mal ans Mic und ich höre immer noch keinen hingerotzten, pseudo-aggressiven Pitbull…
Für mich wird spätestens nach „Alles oder nix“ deutlich, dass ich nicht den ersten Track einer langweiligen CD unter vielen anderen gehört habe, denn schon hier wird Xatars Potenzial deutlich sichtbar. So versteht er es seine Texte nach verschiedenen Schemen anzulegen, was Abwechslung garantiert. In "Alles oder nix" repräsentieren sich die Rapper durch eine Konservation untereinander überzeugend selbst. Mit dem Track an Nummer zwei der Tracklist hat man ein glückliches Händchen in Sachen Trackplatzierung gehabt. Der Künstler Xatar wird hier wunderbar vorgestellt und macht sofort klar wer er ist und was er vor hat. Gerade im Hinblick darauf, dass dieses Album für viele Menschen das erste Material von Xatar ist, welches sie auf die Ohren bekommen, passt dieses Lied richtig gut hierher. Der Beat scheint dabei wie die Sonne vor sich her und unterstützt den Text exzellent. Dauerfeaturegast Ssio (zu ihm später mehr) wird hier zum ersten mal angeteased.
„Platz ins Geschäft“ ist im Prinzip dem Track davor in der Aussage ziemlich ähnlich und wirkt so ein bisschen wie ein drittes Intro. Hier wird auf den Newcomerstatus von Xatar viel wert gelegt und er wird deutlich unterstrichen. Die Hook ist sehr ausdrucksstark und macht Spaß, der Rest wird allerdings von „Alles oder nix“ überrolt und ist nur Durchschnitt.
In „Meine Zeit“ packt Xatar zum ersten mal seine Fähigkeit als Storyteller aus, zeigt also eine weitere seiner Facetten und ich bin wieder überrascht darüber, wie gut er in dem ist, was er gerade macht. Allerdings ist da auch noch Jamila auf dem Track. Die singt die Hook und hat eine unkontrollierte Amateurstimme. Genau das ist der Knackpunkt, denn es kommt so rüber als ließe sich Xatar hier von einem Amateur repräsentieren. Das passt nicht zu dem was dem Hörer in den vorherigen Tracks über Xatar vermittelt wurde und vor allem passt das auch nicht zu dem, was Xatar in diesem Track über sich in die Welt herausposaunt.
Als nächstes erwartete mich der große Feature-Gast des Albums: Azad auf „Baba aller Babas“. Allerdings, so schien es mir zunächst, ist das eher ein Azad auf Sparflamme. Der steuert nämlich ausschließlich einen Teil der guten Hook bei und hat keinen eigenen Part. Allerdings verpasst er dennoch dem Track durch seine Stimme seine eigene Note. Azad klingt extrem rough – etwa so wie auf „Faust des Nordwestens“, wirkt dadurch sehr ehrlich und bestimmend. Man kauft ihm jedenfalls ab, was er da so sagt. Xatar sticht einmal mehr mit seiner Technik und mit seinem Text, in dritter Person geschrieben, zu. Der Clou dabei ist, dass er die dritte Person, sich selbst, für den Hörer im Laufe des Songs auflöst, dabei sein Konzept aber bis zum Ende nicht aufgibt. Großartig.
Und es ging mit „Eine Geschichte“ auf gleichem, hohem Niveau weiter. Das fängt bei der Titelgebung an, denn eine Geschichte ist ja meist nur fiktiv und so kann er hier mal richtig die Sau raus lassen, ohne unglaubwürdig zu wirken. Die Story fesselt und malt Bilder in der Form in der sie vorgetragen wird. Der Beat passt sich wunderbar dem Rest an und harmoniert sensationell gut damit. Er lässt es zu, das alleine Xatars Stimme entscheidet, wann der Hörer auf den Beat und wann er auf den Text achtet.
Der nächste Track „Ich will hier nicht weg“ wird in Form eines Interviews eröffnet und erzählt aus der Gegend aus der Xatar kommt und was dort so abgeht. Fast so etwas wie eine kleine Liebserklärung an die Hood. Der Gesang von Samy ist ganz passabel, hat aber das Problem zu random zu sein. Einzigartigkeit ist jedenfalls etwas komplett anderes. Der Beat ist hier auch nicht mehr als Durchschnitt. Diese beiden Aspekte ziehen den Track im Gesamtbild ein wenig runter.
Zum folgenden Skit ist ein alter Bekannter wieder am Start. Jetsett Mehmet ist back, was mir ein kleines Schmunzeln entlockte. Der macht genauso cool wie im Intro weiter und läutet so etwas wie die zweite Hälfte von „Alles oder nix“ ein. Einen recht großen Teil in dieser zweiten Hälfte nimmt der vom Titeltrack bereits bekannte Ssio ein. Dieser Teil war den Beteiligten scheinbar sogar so wichtig, das Ssio hier sein eigenes Intro spendiert bekommt. Ein Featuregast mit eigenem Intro auf dem Album eines anderen Künstlers – das höre ich auch zum ersten mal.
„Ich will alles“ beginnt dann zunächst einmal mit einem langem Intro, bevor Xatar gemeinsam mit Ssio einen weiteren Style auspackt, der wieder vernünftig mit dem Beat harmoniert. Die beiden Rapper geben auch wiederholt ein gutes Team ab.
Dann kam ein weiteres persönliches Highlight des Albums mit „Dein Herz klopft“. Das Intrumental ist richtig fett und der Track bringt den Namen Xatar noch mal ordentlich nach vorne. Das geschieht mit einer genialen Hook und einem absolut freshen Text, wie ich ihn im Vorfeld nie erwartet hätte. Definitiv ein Anspieltipp.
Auf „Lauf weg“ ist nach kurzer Pause auch wieder Ssio vertreten. Der geht hier allerdings leider auf dem starken Beat extrem unter. Xatar gelingt sein Job aufgrund des stärkeren Ausdrucks in der Stimme hier ein wenig besser, kommt aber auch nicht so stark wie auf den anderen Tracks rüber. Die beiden bekommen den Beat, der gerade in den Tiefen äußerst cool kommt, scheinbar nicht richtig gebändigt. So killt er ein bisschen den Track. Schade.
„Die Welt gehört dir“ (na ratet mal – feat. Ssio) klagt das Leben in der Hood an und verbreitet fast schon depressive Stimmung. Finde ich alles ganz cool gemacht und besonders die Hook hat es mir angetan. Hier wurde mit Hall in Xatars Stimme gearbeitet. Dazu hat man Cuts von Ssio eingestreut und bringt wieder einmal Abwechslung in die Sache.
Ssio ist auch auf „Von Siedlung zu Siedlung“ dabei und hier wieder stärker. Insgesamt sagt mir der Track allerdings nicht so zu. Wesentlich daran beteiligt ist der Beat. Dieser knallt weder, noch chillt er vernünftig, will aber zumindest Zweitgenanntes offensichtlich tun. Außerdem harmoniert er auch nicht besonders toll mit den Texten der Künstler.
Der nächste Storyteller geht dann mit „Paragraph 31“ an den Start und ich glaube der Track kann richtig gut sein, sofern man ihn auch fühlen kann. Textlich wird das Thema "Verräter in den eigenen Reihen" aufgegriffen. Ich kann mir vorstellen, dass dies für einige der Track des Albums ist, andere ihn nicht besonders feiern können. Xatar ist hier übrigens auch mal wieder solo unterwegs.
Das ändert sich in „Knastbrief“ wieder, denn hier trägt wieder Samy zu einer eher weniger gelungenen Hook bei. Außerdem tritt Jalaal in Aktion und ich höre auch zum ersten mal den pseudo-aggressiver Pitbull den ich ja auf Albumlänge befürchtet hatte. Das gute daran ist, das auf diesen Track der pseudo-aggressive Pitbull sogar passt. Ich mag Tracks wie diesen, in denen man verschiedene Perspektiven von verschiedenen Rappern zu einem Thema aus verschiedenen Rollen heraus vorgetragen bekommt. Puh, ganz schön verschieden hier.
Strange ist das beste Wort was mir zum Beat von „B.O.X.“ einfällt. Ich glaube der will sogar böse sein, ist aber nur strange. Die La Honda Boys, welche auf diesem Track vertreten sind, sind Rapper die mir nichts geben. Die machen zwar viel Krach, werden aber von Xatar im dritten Part komplett in den Schatten gestellt. In der Hook sind aber auch La Honda cool. Trotzdem ein komischer Track für dieses Album, so weit hinten auf der Tracklist aber okay.
Den Track „Kanaken“ (feat. Samy) fand ich beim ersten Hören komplett Scheiße, aber wenn man ihn ein paar mal gehört hat, ist er durchaus humorvoll. Er trägt auf jeden Fall eine Menge Ironie mit sich herum, kommt so ein bisschen wie gut imitierter Player-Rap daher und ist gewollt komisch (hoffe ich). Den kann man als Rausschmeißer auf jeden Fall bringen, wobei mir an dieser Stelle Jetsett Mehmet ein bisschen gefehlt hat. Der Track und Jetsett Mehmet gemeinsam wäre aber unschlagbar gewesen.
Dann gibt es noch einen Hidden Track auf dem Album. Lässt man nach „Kanaken“ die CD einfach eine Weile laufen wird man nach mehreren Sekunden Stille noch einmal mit einem militärisch klingenden Beat wiederbegrüßt. In dem Track repräsentiert Xatar seine Heimat Kurdistan. Mit dabei sind Serhado und recht viele Samples die ich leider nicht verstehe, weil ich die Sprache nicht spreche. Daher verkneif ich mir auch mal meine Meinung zu diesem Lied. Es klingt auf jeden Fall recht aggressiv, wobei das höchstwahrscheinlich einfach an der Sprache selber liegt.
Das war es dann und ich muss sagen, dass ich das Album echt gelungen finde. Ein bisschen schade finde ich, dass es so viele Featuretracks gibt. Schaut man sich die Tracklist an, ist „Alles oder nix“ schon fast ein Kollaboalbum von Xatar und Ssio. Gekauft habe ich aber das Soloalbum von Xatar, also sollte der meiner Meinung nach auch alleine im Fokus stehen. Ssio harmoniert jedoch sehr gut mit Xatar, so dass ich darüber hinwegsehen kann. Grundsätzlich mag ich auch gesungene Hooks, hier waren sie nicht mein Fall und nervten mich teilweise. Abschließend bleibt zu sagen, dass „Alles oder nix“ keine weitere, herkömmliche Streetrap-Platte ist, sondern das hier ein äußerst talentierter Newcomer seine Debüt-CD veröffentlicht hat, von dem wir sicher noch einiges in Zukunft hören werden. Xatar hat etwas zu erzählen!
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