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Thema: Spät am Abend
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19.10.2010, 02:32 #1Kouta
Spät am Abend
Das Verstehen des Inhaltes ist jedoch nicht so stark von Kenntnis des Spieles abhängig, dass Probleme für Außenstehende auftreten.
Man versteht nur die Situation nicht ganz am Anfang. Die Geschichte ist mit knapp unter 1.500 Wörtern eine mittellange bis kurze Kurzgeschichte.
Ich habe sie gestern Nacht innerhalb einiger Stunden nebenbei am PC verfasst.
Eigentlich hatte ich vor, sie nur im ursprünglich vorgesehen Rahmen zu veröffentlichen, aber die Resonanz von allen Seiten war ziemlich gut.
Deshalb möchte ich sie einmal hier präsentieren und wäre froh über Kritik und Lob an meiner Arbeit. Übrigens ist keine Fortsetzung geplant, auch, wenn es so aussieht. Es handelt sich lediglich um eine einzige Kurzgeschichte.
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Es war eine eisige, sternklare Nacht. Wir alle saßen am Lagerfeuer und warteten die letzten Stunden bis Mitternacht ab. Niemand wollte so recht schlafen gehen, sei es aus Angst, jemand könne unbemerkt das Tor öffnen oder einfach nur die trostlose Einsamkeit, die den einen oder anderen allein in seinem Zelt oft ereilte. Auch ich saß in der Runde, eingekuschelt in zwei Decken, wegen der Kälte zusammen mit einem mir unbekannten Mädchen. Ich kann nicht sagen, dass sie mir nicht gefiel; eigentlich fand ich sie wirklich süß. Viel mehr hinderte mich meine Schüchternheit daran, sie in den Arm zu nehmen. Aber auch so saßen wir halb aufeinander zwischen den anderen Gestalten, von denen mir jede fremd war, doch mit denen mich auch diese außergewöhnliche Situation verband. Eine Gruppe Streuner, die sich vor Wochen in der Wüste eine kleine Stadt aufgebaut hatte. Am Anfang waren wir 3 Leute, doch wir haben in einem etwa 15 Quadratkilometer großen Gebiet der Wüste innerhalb eines Tages 37 weitere verlorene Seelen aufgelesen. Ich denke, das war zu diesem Zeitpunkt 38 Tage her, inzwischen hatten wir zum Schutz gegen die wandelnden Toten viele Maßnahmen getroffen. Sie kommen jede Nacht aufs Neue, doch glücklicherweise zogen sie bis dato jedes Mal ohne ein unserseitiges Opfer ab. Diese „Untoten“ waren es auch, über die an diesem Abend gesprochen wurde. Keiner von uns wusste es genau, aber alle meinten, die Antwort zu kennen. Einige Geschichten waren so haarsträubend, dass ihre Wiedergabe mich viel Zeit kosten würde. Zeit, die ich eventuell nicht mehr habe… Aber ein älterer Mann, ich schätzte ihn um die 50, erzählte uns von seinem Großvater. Er fing plötzlich an zu reden, und was er sagte, machte mir beinahe Angst:
„Wisst ihr“ begann er „mein Großvater hat lange Zeit gedient. Er hatte sich damals in verschiedenen Kriegen viel Ehre verdient und trat mit 78 Jahren seinen Ruhestand an, nachdem er als Offizier so manche Schlacht gewendet hatte. Seitdem lebte er bei uns, also mir und meinen Eltern. Als mein Großvater einzog, war ich 7 Jahre alt. Meine Mutter schien lange Zeit unfruchtbar, bis es eines späten Jahres dann klappte. Jedenfalls brachte mir der Vater meines Vaters in den folgenden Jahren nach meinem achten Geburtstag die vielfältigsten Dinge bei. Er predigte zwar immer Moral und Respekt vor dem Alter, wie alte Menschen es nunmal tun, doch nebenher pflegte er auch zu sagen, dass man als junger Mann nie früh genug den Umgang mit dem Schießeisen erlernen könne. Er lehrte mich das Marschieren, das Pirschen und Tarnen, das Morsen und Funken. Meine Mutter war nie begeistert, wäre es nach ihr gegangen, so wäre ich Rechtsanwalt oder Arzt geworden. Doch mein Opa machte immer klar, dass solche „Waschlappenberufe“ nicht das Richtige für einen Kerl seien. Der Charakter müsse geschliffen werden, und am besten ginge dies durch eine harte Zeit beim Militär. Ich liebte meinen Großvater sehr, trotz seiner Strenge hatte ich immer große Ehrfurcht vor seiner Erfahrung, seinen Fähigkeiten. Er war mein großes Vorbild. Auch jetzt zweifle ich nicht daran, dass seine Leistungen das waren, an denen ich mich orientieren will und wollte. Doch er war alt… inzwischen zählte ich 14 Jahre und er war im fortgeschrittenen Alter von 85. Die Jahre hatten sich als tiefe Furchen auf seinem Gesicht abgezeichnet, er konnte nur noch mit Mühe gehen und allein kaum noch etwas bewältigen, selbst für die einfachsten Besorgungen benötigte er Hilfe. Meine Mutter sagte traurig, dass es sehr schnell gegangen sei. In nur 7 Jahren war er vom netten, lächelnden alten Mann ans Ende seiner Tage gekommen. Und 4 Tage vor meinem fünfzehnten Geburtstag, am fünfzehnten Juli, sollte er sterben. An diesem Tag rief er mich zu sich ans Bett. Wie er dort lag, krank und schwach, spürte ich tiefe Trauer in mir aufsteigen. Doch ich weinte nicht. Nicht vor meinem Großvater. Er wollte immer, dass ich stark werde, und ich war nun schon so groß, dass ich keine Schwäche zeigen durfte. So sah ich das jedenfalls in diesem Moment. Er zog mich an sich und sprach zu mir, sein Atem rasselte und es schien ihn viel Mühe zu kosten: „Mein lieber Enkel. Ich habe viel erlebt. Ich kämpfte in vielen Kriegen und sah, wozu Menschen fähig sind. Die Zeit, dass wir uns mit einfachen Schusswaffen töten, ist längst vorbei. Menschen vernichten sich gegenseitig auf Arten und Weisen, die so grauenvoll sind, dass ich sie nicht wiedergeben kann. Aber sie werden dabei immer skrupelloser und grausamer, sie machen sich keine Gedanken um ihr Handeln. Die Hölle muss voll sein, mein Sohn, und eines sage ich dir: Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, kommen die Toten auf die Erde!“ Mein Großvater verstarb einige Stunden darauf, ohne ein weiteres Wort zu mir zu sagen…“
Alles war Still im Kreis. Der schwache Schein des Feuers erhellte das Gesicht des Alten nur spärlich, ich konnte keine Regung erkennen. Doch dieser letzte Satz seines Großvaters gab mir zu denken. Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist… Konnte das sein? Hatte die Menschheit so viel Grauen verbreitet, so viel Schlechtes getan, dass die Hölle überlief?! Eine komische Vorstellung. Ob die anderen das gleiche dachten, wusste ich nicht. Sie schwiegen, starrten Still in das noch lodernde Feuer und zogen die Decken enger um sich. Ich bemerkte, dass das Mädchen in meinen Armen eingeschlafen war. Während der Geschichte musste ich sie umarmt haben, schon seltsam. Es hätte mir eigentlich peinlich sein müssen, aber es war auch irgendwo ein schönes Gefühl. Bevor ich nach der Überrennung meines Heimatortes mit Rettungsflugzeugen in diese Wüste gebracht wurde, war ich noch nie einem anderen Menschen so nahe gekommen, wie diesem Mädchen, abgesehen von meiner Mutter. Ich starrte in den Himmel und reckte mich dabei unwillkürlich. Langsam regte sie sich und gähnte leise. Da drehte sie sich auf meinem Schoß um und sah mich müde an. Fragend blickten ihre grünen Augen in meine, als wollten sie sagen „gehen wir schlafen?“. Ein bisschen mulmig wurde mir bei dem Gedanken, in dieser Situation zum ersten Mal bei einem Mädchen zu schlafen. MIT einem Mädchen zu schlafen. Doch von meiner Seite gab es nichts einzuwenden. Das Feuer fauchte und die ersten Bürger zogen sich zurück. Ich ergriff die Hand des Mädchens und wollte aufstehen, um sie wegzuführen.
Ein Ohrenbetäubender Lärm brach los! Von überall her kam ein Grunzen und Stöhnen, wir alle mussten die Zeit vergessen haben. Zum Verstärken der Zelte oder der Mauern war es nun zu spät, wir mussten uns verbarrikadieren! Ich riss die Decke von ihr und mir und zog sie hinter mir her. Ihr Keuchen verriet mir, dass sie starke Schwierigkeiten hatte, meinem Tempo zu folgen, aber es half alles nichts. Wir rannten in mein Zelt und schlossen die Seitenwände. Zitternd und schluchzend kauerte sie in einer Ecke, die Decke fest um sich geschlungen und mit vor Angst geweiteten Augen. Wie hatte das passieren können? Bisher hatten wir doch jede Nacht ohne Tote überstanden. Mein einfaches Zelt bot keinen Schutz, es half nur noch beten. In diesem Moment fuhren mehrere Hände durch die hintere Wand des Zeltes. Sie rissen den Stoff in Fetzen und griffen rasend durch die Luft, bis sie die Schulter des Mädchens packten. Sie schrie auf, zappelte und wand sich unter dem Griff der geifernden Viecher, als sie nach draußen gezerrt wurde. Drei der Zombies stürzten sich auf sie und rissen ihr regelrecht die Extremitäten vom Körper ab, durch das zerrissene Zelt konnte ich sehen, dass eines der Biester sein vor Geifer nasses Maul in ihrem Bauch versenkt hatte. Sie hatte aufgehört, sich zu rühren und Nieselregen ihres Blutes spritzten weiter gegen mein Zelt. Nachdem die ersten Schwalle über den Boden gelaufen waren, ebbte die Menge der einzelnen Ladungen langsam ab. Nur, wenn ein Zombie in ein besonders großes Organ biss, sah ich noch ein paar größere Blutmassen wallen. Fassungslos starrte ich auf den Kadaver, von dem die Zombies schließlich abließen. Ausgeblutet mit leeren Augen und ohne Arme und Beine lag sie dort. Ihr Bauch war weit aufgerissen, aus ihm quoll eine Vielzahl an Gedärmen. Meine Starre und Bewegungslosigkeit wichen langsam einer unglaublichen Übelkeit, in deren Folge ich mich über die Überreste des namenlosen Mädchens erbrach.
Mit etwa 16 anderen habe ich die gestrige Nacht zwar überlebt; wie es nun weitergehen soll, wissen wir allerdings nicht. Neben dem alten Mann sind auch unser Bürgermeister und unser Koch verstorben, ebenso unser Dealer. Wir haben keine Nahrung und werden in der Wüste auch keine weiteren Rohstoffe suchen können. An diesem Morgen haben wir uns um die Leichen gekümmert, die in dieser Hitze sehr schnell zu faulen begonnen haben. Der Gestank, als ich sie da vor mir sah, war widerwärtig. Der Geruch nach Erbrochenem und der Verwesungsgestank ergaben eine Mischung, bei der ich beinahe schon wieder kotzen musste. Ich konnte sie einfach nicht anfassen und kippte daher einfach meine Wasserration über sie, wodurch sie langsam mit dem Boden verschmolz. Dass dies keine gute Idee war, merke ich jetzt. Ich habe Durst und unsere Vorräte sind erschöpft. Wie soll es nur weitergehen…?
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19.10.2010, 03:10 #2muka
AW: Spät am Abend
Ich finde es klasse! Wirklich, die Gefühle hast du super geschildert. Besonders die Erzählung des Mannes hat mir gefallen. Man konnte irgendwie
eintauchen. (Das wichtigste an einem Roman, wie ich finde)
Und dich muss das Browsergame ziemlich inspiriert haben, hä? D:
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19.10.2010, 13:08 #3Kouta
AW: Spät am Abend
Danke für dein Lob, Muka :=)
Ja, das Spiel war in diesem Fall tatsächlich Quell der Idee, wie bereits geschrieben.
Aus dem Stoff von "Die Verdammten" lässt sich einiges machen, habe ich so das Gefühl...
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20.10.2010, 14:34 #4Melemona
AW: Spät am Abend
Wirklich super ^^ Gefällt mir ( Das alles hast du geschrieben! Ich wäre zu Faul )
"Die Verdammten" ist auch ein gutes Spiel ^^
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20.10.2010, 14:50 #5
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20.10.2010, 14:55 #6Delicious?
AW: Spät am Abend
Dickes Lob an dich!
Du solltest mal Schriftsteller oder Autor werden, damit wirst du berühmt werden, ganz sicher
Langsam frag ich mich, woher die ganzen Gedicht- und Geschichtenschreiber ihr Talent aufgreifen, klaut ihr euch das i-wo her?^^
MfG
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21.10.2010, 19:26 #7Kouta
AW: Spät am Abend
Danke sehr an alle :=)
Schriftsteller als Beruf, darüber habe ich mal nachgedacht, den Gedanken aber verworfen.
Ich versuche mein Glück als Jurist, was aber nicht heißt, daneben Hobbymäßig keine Geschichten mehr zu Schreiben.
Ein weiteres Problem sind meine Ideen. Wenn ich welche habe, sind die nicht schlecht, aber ich könnte damit kaum ein ganzes Buch füllen.
Es reicht für Kurzgeschichten, aber sein wir doch mal ganz ehrlich: Wie viel Inhalt ist das?
Mir fehlt es für Bücher vermutlich an Kreativität, dennoch danke für deine Begeisterung, Engelboss!
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03.01.2011, 13:06 #8Masterboy
AW: Spät am Abend
Super Geschichte, da kann man sich nicht satt lesen.
Großes Lob auch wen es nun schon 2 Monate so her ist.
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13.01.2011, 22:36 #9Pinzo
AW: Spät am Abend
Finde die Geschichte an sich nicht schlecht. Du zeichnest ein kontrastreiches Bild von einer Szenerie, die trotz ihrer Bedrohlichkeit etwas idyllisches hat. Für eine Kurzgeschichte typisch ist der plötzliche Einstieg, der dir sehr gut gelungen ist.
Gefallen hat mir auch die Sprache, dass du in der Lage bist, dich sehr ausdrucksreich zu äußern, weiß ich ja schon von dir, im kreativen Bereich ist das aber nochmal was anderes.
Inhaltlich ist die Thematik leider schon ein bisschen ausgelutscht, Zombies sind nunmal nichts neues, aber das ist ja auch nicht unbedingt schlimm, wenn der Stoff, wie hier, gut umgesetzt wird.
Kritisieren muss ich aber auch ein bisschen: In 2 oder 3 Sätzen bist du ein wenig mit dem Zeitschema durcheinander gekommen.
Eine Gruppe Streuner, die sich vor Wochen in der Wüste eine kleine Stadt aufgebaut hatte. Am Anfang waren wir 3 Leute, doch wir haben in einem etwa 15 Quadratkilometer großen Gebiet der Wüste innerhalb eines Tages 37 weitere verlorene Seelen aufgelesen.
Was mich auch ein bisschen stört, ist der Schluss. Es macht den Eindruck, als würde nächste Woche dann die Fortsetzung kommen, irgendwie wäre da ein abschließender Tonfall angebrachter gewesen.
Trotzdem hat mir das Lesen gefallen
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13.01.2011, 22:43 #10Dudka
AW: Spät am Abend
Ich finde die Geschichte gut!
Weiter so
MfG David
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13.01.2011, 23:01 #11Kouta
AW: Spät am Abend
Ja, wo du das aufzeigst sehe ich auch, dass Plusquamperfekt in diesem Fall nötig wäre. Da werde ich verstärkt drauf achten müssen.
Ja, der Schluss ist der Teil an dieser Geschichte, der mir unter allen Lesern die meiste Kritik eingebracht hat. Leider muss ich gestehen, dass ich einfach nicht wusste, wie ich die Sache rund abschließen sollte.
Ich hatte schon Ideen, aber keine von ihnen hat mir schlussendlich gefallen... naja, da habe ich das Ende einfach offen gelassen. Im Nachhinein ist es vielleicht zu offen, ich weiß es nicht.
Übrigens: die Zombiethematik habe ich gewählt, weil der Text von mir für ein bestimmtes Spiel verfasst wurde, als Randinfo. Obwohl es sein kann, dass ich das oben auch erwähnt habe^^
Vielen Dank auch für dein Lob und das von Davidinho =D
Anerkennung ist schließlich auch ein Grund, aus dem man Geschichten schreibt.
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14.01.2011, 17:10 #12Pinzo
Lustige, schöne, traurige... gefühlsausdrückende Bilder/Gifs