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07.06.2008, 19:46 #1Pierrot
In den Tag hinein - Kapitel 1
Es gibt wenige Menschen die ich schätze und noch wenigere die mich schätzen. Aber auch Selbstmitleid ist keine Stärke von mir.
Meine Tante, genauer, die Schwester meines Vaters, lud mich zu sich ein und dies sollte unser letzter gemeinsamer Abend in diesem Sommer werden.
Eine Woche verbrachte ich bei ihr in der Stadt. Ferien auf dem Land mochte ich nicht, denn da kam ich ja her. Kein traditioneller Bauernhof. Gar kein Bauernhof. Aber weit und breit nur Dörfer. Dörfer, Dörfer, Dörfer. Dorfbewohner, Dorfschulen, Dorfstraßen Dorfgedanken, Dorfklischees.
Diese Woche in der Stadt – es war keine ungeheure Großstadt, aber beeindruckend genug für einen Dorfjungen – gefiel mir besonders gut, da wir fast jeden Abend irgendwo in der Innenstadt verbrachten. Wir unternahmen nichts besonderes, nichts produktives, eben Sommerabendliches.
Ich liebte es. Motorengeräusche aber kein Getöse. Orangefarbene Abende und dunkelviolette Nächte. Erlebnisse, Tag für Tag, Abend für Abend. Die Nächte erlebte ich nicht so intensiv. Ich schlief. Natürlich tat ich das, denn jeder tat es, nicht wahr? Nicht wahr. In der Stadt schlief man offensichtlich nicht. Ich möchte nicht wie ein Hinterwäldler klingen, aber das war ich nun mal.
Dass man in der Stadt nicht schlief des Nachts wurde mir erst an diesem letzten Abend bewusst. Diesem Abend im Theater.
In diesem Theater – vielleicht in jedem städtischen Theater – waren die Menschen anders. Sie waren wirklich fröhlich oder wirklich bedrückt. Sie kleideten sich nicht anders als wenn sie ein Café besuchten oder ein Picknick am Flussufer machten. Ich war das nicht gewohnt. Wenn man auf dem Land ins Theater geht heuchelt man Kultur und Klasse und kleidet, benimmt sich wie es die Städter tun in den Vorstellungen der protzsüchtigen Bauern. Die wenigsten waren Bauern - ich kannte vielleicht ein oder zwei - aber das Wort drückt in diesem Fall nicht ihren Beruf aus.
Das Stück war irgendetwas Neumodisches von einem regionalen Autor und wurde von den Anwesenden, die es alle schon einmal gesehen zu haben schienen, hoch geschätzt.
Ich verstand rein gar nichts. Die Worte und die Musik erreichten mich, aber die Komik und die Tragik blieben mir verwehrt. Nicht so meiner Tante und den Platznachbarn. Ich dachte mir ich bin zu jung und ungebildet und so war es tatsächlich, denn heute verstehe ich den Humor des Stücks. Es waren diese Witze die Professoren in ihren Vorlesungen machen bei denen die Studenten demonstrativ auflachen. Ich mag sie nicht, diese Art von Witz. Meine Neigung zu plumpem Humor blieb mir bis heute.
Nachdem das Stück zu ende war begleitete uns die beste Freundin meiner Tante mit in die Wohnung, die im Stadtzentrum nicht weit vom Bahnhof lag.
Die Freundin meiner Tante hieß Geneviève, was ich erst am Vormittag dieses Tages erfuhr obwohl sie doch fast jeden Tag mit uns in derselben Wohnung hauste.
Sie war Marokkanerin. Eine schwarze Jazzsängerin, genauso wie man sie sich vorstellt: Unzählige lange Zöpfe gedreht und gefaltet zu einem Haufen dunkelbrauner Schlangen, verwoben mit bunten Stoffbändern oder Ketten aus Muscheln. Meine Tante nannte sie immer Poubelle und ich ging davon aus, dass das ihr richtiger Name war. Heute kenne ich nicht nur die Bedeutung dieses Wortes, sondern auch den Grund der meine Tante veranlasste sie so zu nennen. Es war ihr französisches Lieblingswort und da sie es meist zu anstrengend fand Genevièves Namen korrekt auszusprechen nannte sie sie seit ihrer ersten Begegnung so.
Meine Tante stand – zumindest äußerlich – in völligem Gegensatz zu dieser charismatischen Persönlichkeit mit der nicht weniger aufregenden Stimme:
Rotblondes, welliges Haar, das über blasse Schultern wallte und gelegentlich an den rötlich leuchtenden Lippen hängen blieb. Sie sah aus wie eine dieser zarten Frauen aus den Parfum-Werbungen.
Beide Frauen sahen nicht nur unheimlich weiblich, sondern auch unbeschreiblich schön aus. Überhaupt traf man in der Stadt weit mehr attraktive Menschen als auf dem Land. Oder schien das nur so?
Meine Tante war jedenfalls die mit Abstand hübscheste Person in meiner gesamten Familie. Geboren wurde sie als Klara Maerz in der Stadt in der sie noch heute lebt. Die beiden Freundinnen waren Künstlerinnen.
Künstlerinnen – dieses Wort war für mich nicht ohne negativen Hintergrund, denn meine Eltern schimpften über Klara, als Traumtänzerin und arbeitsscheue Phantastin, die ihr Leben vergeudet. Mein Vater schimpfte aber er spottete nicht. Er schimpfte weil er Angst um sie hatte. Es war das ewig bestehende Verhältnis zwischen großem Bruder und kleiner Schwester. Ein Beschützer und ein zu beschützendes immerschwaches Wesen.
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13.06.2008, 21:27 #2Widdermal
AW: In den Tag hinein - Kapitel 1
Ich bin mal so frei und nehm an das du auf Kritik aus bist ^^:
Also prinzipiel ein schönes Stück Literatur nur dein Erzählstil ist ein wenig träge (kA ob absicht oder nicht) mit einem starken Hang zum Philosophischen.
Kurze Frage: Wird das ein Buch oder is das nur eine Nebenbeschäftigung von dir?
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15.06.2008, 22:02 #3Pierrot
AW: In den Tag hinein - Kapitel 1
Vielleicht wirds ja mal ein Buch.
Und was genau meinst du mit träge? Es fehlt die Spannung, die lässt auch im weiteren Verlauf etwas auf sich warten >.<
Aber vll wird das ja noch ^^'
Danke für die Aufmerksamkeit <3
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