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Thema: Grimnismal
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11.04.2016, 12:36 #1Sturmgeweihter
Grimnismal
[Prolog: Zwei Brüder]
(in Erzählform einleitend gesprochen)
Es war einst,
da Raudungs Söhne auf Fischfang fuhren.
Die Strömung zog sie raus,
Seegang und Regen setzten ihnen zu.
Das Wetter trieb sie in der Rater Arme;
Frigga und Odin nahmen sie auf.
Heervater zog Gerod, Ods Braut Agnar -
einen Herbst und einen Winter.
Im Frühjahr kehrten die Jungen heim.
Doch Yggs Sproß, mit List gefüllt,
schickte den Bruder aufs Meer
und bestieg des Vaters Thron!
[Grimnismal]
Die Jahre zogen ins Land,
Gerod regierte unbarmherzig und kalt.
Sein Bruder darbte, liebte ein Trollweib.
Niemand erahnte der Beiden Schicksal.
Heervater zog, den Ziehsohn zu prüfen;
doch Frigga, in Not, säte die Zweifel.
--
Allvater, als Grimnir getarnt,
erreichte den Hof in dunkler Nacht.
Kein Hund bellte nach des Streichers Saum,
Gerod – in Panik – ließ ihn binden
(und) zwang ihn zwischen Feuer,
die Flammen loderten heiß.
Mantel und Krempe versengt,
der König lachte.
--
Grimnir saß stumm und harrte der Dinge,
kein Wort verließ seine Lippen.
Einzig Gerods Sproß mit Namen Agnar,
gewährte dem Fremden Speis und Trank.
Am 9. Tag brach Grimnir sein Schweigen,
die Taten des Sohnes prangerte er an.
Agnar sollt' folgen als künftiger Herrscher,
nach des geizigen Vaters Untergang.
--
Die Augen Gerods weiteten sich,
fast hätt' er verbrannt Heervaters Bart.
Der König sprang auf, geriet ins Stolpern,
die eig'ne Klinge durchbohrte den Leib.
[Epilog: Ragnarök]
Enttäuscht vom menschlichen Ziehsohn
zog Walvater eilig gen Osten hin.
Ins Reich der Joten, zu finden die Quelle,
wo in Vorzeit er einst sein Auge barg.
Dort liegt der Kopf des Riesen Mimir,
gebettet auf Heervaters Schoß.
Der Wind flüstert in den Kiefern;
Riese und Ase spüren, dass der Welten Ende naht...
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17.04.2016, 15:00 #2Jacky89
AW: Grimnismal
Muss man historische Kenntnisse haben, um den Text verstehen zu können?
Er wirkt sehr ... anspruchsvoll.
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18.04.2016, 09:43 #3Sturmgeweihter
AW: Grimnismal
Nein, historische Kenntnisse nicht. Aber der Text basiert auf einem Text aus der Edda, dem Gedichtband über die nordische Mythologie.
Im Kern geht es darum, dass zwei Königssöhne einen Schiffbruch erlitten haben und auf einer Insel strandeten.
Dort nahmen sie zwei Alte auf, die auf der Insel lebten. Diese beiden Alten sind Odin und seine Frau Frigga, getarnt als Menschen.
Der Göttervater und seine Frau verkleiden sich gerne mal und mischen sich unter die Menschen, um sie zu lehren und zu formen.
Derjenige der beiden Jungen, den Odin aufzog, verriet seinen Bruder und wurde neuer König.
Dies bekamen Odin und Frigga nicht mit, doch als sie auf ihrem Ausblick saßen, machte sich Odin darüber lustig, dass sein Ziehsohn König sei, während Friggas Ziehsohn bei den Trollen lebte und nur noch dahin siechte.
Das machte Frigga sauer und sie log, dass Odins Ziehsohn ja nur ein Halsabschneider sei, der seinen Gästen (die Gastfreundschaft ist in der Mythologie ein hohes Gut) nur Brot und Wasser anbieten würde.
Das machte Odin so rasend, dass er auszog und unter dem Decknamen Grimnir den Hof seines Ziehsohns aufsuchte, um dessen Gastfreundschaft zu prüfen.
Frigga bekam Panik und setzte dem Ziehsohn Odins den Floh ins Ohr, dass ein Gast seinen Hof heimsuchen würde. Ein böser Zauberer, der nur schlechtes will. Er würde ihn daran erkennen, dass kein Hund es wagt, ihn anzubellen.
Denn so war es, kein Hund bellte jemals den Göttervater Odin an.
Als Grimnir (Odin) den Hof erreichte, wurde er gefesselt und zwischen zwei offene Feuer gesetzt. Er sollte dem König Gerod erzählen, was er an seinem Hof wolle.
Doch Odin schwieg und so musste er zwischen den Feuern sitzen bleiben. Der König unterwies sein Gefolge, dem Fremden nichts zu trinken und nichts zu essen zu geben.
Nur der Königssohn Agnar (benannt nach dem einst verratenen Bruder) wagte es, dem Fremden Essen und Trinken zu geben.
Acht Nächte lang saß Odin zwischen den Feuern und sprach kein Wort. Am 9. Tag dann brach er das Schweigen und verdammte seinen Ziehsohn.
Er solle den Tod finden, während sein Sohn, der sich um Odin kümmerte, Herrscher werden sollte. Und so kam es. Gerod schrack auf, als er erkannte, dass er den Göttervater dieser Folter aussetzte.
Er hatte sein Schwert die ganze Zeit auf dem Schoß liegen. Als er aufsprang, geriet er ins Stolpern. Die Klinge fiel mit dem Griff nach unten und ragte auf, als der König vornüber auf die eigene Klinge fiel.
Dadurch erfüllte sich Odins Prophezeiung. Und Gerod fand die gerechte Strafe. Zwar wurde er von Frigga getäuscht, doch war das die späte Rache für den Verrat am eigenen Bruder.
So wurde am Ende doch ein Agnar König.
Das ist der Hintergrund des größten Textteils.
Abschließend gibt es einen Ausblick auf Ragnarök, den Weltenbrand.
Denn Odin, der ewig zweifelnde, ist enttäuscht von den Menschen, an deren Schöpfung er maßgeblich beteiligt war.
Nicht einmal sein eigener Ziehsohn, den er alles gelehrt hatte, verhielt sich zu seiner Zufriedenheit.
Wie so oft, wenn er ratlos war, ritt er zur Quelle des Mimir, in Jotunheim, dem Reich der Riesen, an der Wurzel Yggdrasils.
Es hieß einst, wer von dieser Quelle trinken würde, bekäme ewiges Wissen. Etwas, wonach Odin bis zum Tag seines Todes suchte.
Die Prämisse, dass er von der Quelle trinken durfte, war, ein Auge zu opfern. Deswegen ist Odin auch der Einäugige.
Der Riese Mimir ist ein Freund Odins, wurde jedoch von den Wanen (anderes Göttergeschlecht) geköpft. Odin balsamierte den Schädel und hauchte ihm neues Leben ein.
Seitdem liegt an Mimirs Quelle nur noch Mimirs Kopf und hält mit Odin Rat.
Beide spüren ob der Taten und Enttäuschungen, dass das Ende der Welt nicht mehr fern sein kann.
All das habe ich in diesem Text versucht zu verarbeiten.
Dabei war es mir wichtig, mich auf die Kernaussagen zu beschränken und mich dennoch an die grobe Form der Edda anzulehnen.
Daher auch die vielen Synonyme für Odin (Odin, Grimnir, Heervater, Allvater, Walvater, Ygg und Od).
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18.04.2016, 14:24 #4Jacky89
AW: Grimnismal
Du meine Güte ... das ist erstaunlich!
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18.04.2016, 14:46 #5Sturmgeweihter
AW: Grimnismal
Es ist natürlich schwer, den Text zu beurteilen, wenn man den Hintergrund nicht kennt. Das weiß ich.
Zumal die nordische Mythologie auch so komplex ist. Alleine die ganzen Synonyme für Odin und Thor.
Hier mal die Liste von Odins Beinamen... da ist man beim Lesen der Edda nur am Nachschlagen, wer gemeint sein könnte...
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Beinamen_Odins
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18.04.2016, 15:10 #6Banx
AW: Grimnismal
Als Geschichte finde ichs gut
Mag aber die nordische Mythologie, auch wenn ich mich nicht sonderlich gut mit auskenne, als Lied würde es mir aber wohl zu 75% nicht gefallen, so aus subjektiven Gründen
Hast du den selbst geschrieben?^^
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18.04.2016, 15:14 #7Sturmgeweihter
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18.04.2016, 15:30 #8
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18.04.2016, 17:04 #9Jacky89
AW: Grimnismal
Es ist eine positive Rückmeldung. Eine detaillierte Einschätzung kann ich dir leider nicht geben, ich habe null Ahnung von nordischer Mythologie. Also bin ich auch kein guter Kritiker für dieses Werk. Ich finde es erstaunlich, dass du so viele Hintergründe in so wenige Zeilen verpacken konntest und trotzdem in der Lage bist, es umfassend zu erklären.
Ob es sich als Lied gut anhört, kann man vermutlich erst einschätzen, wenn es hörbar ist.
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18.04.2016, 18:03 #10Sturmgeweihter
AW: Grimnismal
Die Demo des Songs kann man hier hören:
https://soundcloud.com/storm-kvlt/grimnismal-demo-2016
Da das mit Musik aber immer so eine Sache ist, stand der Text erstmal für sich...
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