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Thema: Gears of War: Aspho Fields
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17.10.2009, 00:02 #1ChrisChris
Gears of War: Aspho Fields
Karen Traviss
447 Seiten
Erschienen Juli 2009 (deutsche Ausgabe) / Oktober 2008 (Original)
12€
Eigentlich halte ich nicht wirklich viel von Fan-Büchern, oder besser gesagt von Geschichten, die andere Menschen in bereits bestehende imaginäre Geschichts-Universen „hineinschreiben“. Ich mache generell einen großen Bogen um die gefühlten 23674823 Bücher zu Star Wars, oder was es da sonst noch gibt – und ich weiß nicht mal wirklich, warum ich das eigentlich tue. Irgendwie finde ich einfach den Gedanken seltsam, dass da Menschen Geschichten kreieren und diese in andere bereits bestehende Geschichten hineinbasteln, ohne zu wissen, wie sich die Autoren der ursprünglichen Geschichten eventuelle Fortsetzungen oder Prequels vorstellen würden. Um beim Thema Star Wars zu bleiben: Meiner Ansicht nach stünde es nur George Lucas zu, seine Geschichten zu erweitern und fortzusetzen, denn das ganze ist seine Geschichte. Was andere Menschen dazu schreiben, das hat für mich irgendwie immer den Hauch eines Plagiats, eines Abklatschs, obwohl diese Bücher sicherlich streckenweise gut geschrieben und durchdacht sind. Ist wohl eine persönliche Marotte, aber ich mag so was einfach nicht. ;-)
Dennoch habe ich mir aus einer spontanen Laune heraus das Buch gekauft, das vorgibt, „die offizielle Vorgeschichte“ der GoW-Reihe zu sein - und das obwohl es erst geschrieben wurde, als Gears of War längst auf Millionen von X-Boxen gezockt wurde…
Die Autorin
Die Engländerin Karen Traviss arbeitete ursprünglich als Journalistin unter anderem bei der New York Times, widmete sich aber ab 2004 nur noch ihrer Leidenschaft für das Schreiben von Science-Fiction-Geschichten, wobei sie beispielsweise mittlerweile auch elf Bücher zu Star Wars veröffentlicht hat (unter anderem das Buch zum Film Clone Wars). Sie kann also durchaus als renommierte und erfahrene Autorin in diesem literarischen Bereich betrachtet werden, wodurch sie dann auch letztlich auserkoren wurde, der Gears-Reihe ein wenig mehr Leben einzuhauchen.
Ich stelle mir das wirklich faszinierend vor, wie eine ehemalige Journalistin der New York Times (und darüber hinaus eine, die die 30 schon lange hinter sich gelassen hat) vor dem Fernseher sitzt und mit einer virtuellen Kettensäge virtuelle (und ziemlich hässliche) Gegner in virtuelle kleine Fetzen schneidet…
Inhalt
(Da ich hier absolut nicht spoilern möchte, werde ich kaum Details zur Geschichte verraten. Darüber hinaus kann ich den Inhalt leider ohnehin nur so schildern, dass ihn Spieler der GoW-Reihe wirklich verstehen werden, sonst würde das den Rahmen dieser Rezension komplett sprengen)
Es gibt zwei wesentliche Handlungsstränge in Aspho Fields, die ineinander verwoben sind und sich im Erzählfluss immer wieder abwechseln:
Der eine erzählt eine der letzten großen Schlachten der jahrzehntelangen Pendulum-Kriege - die Schlacht auf den Aspho-Fields, bzw. um Aspho-Point, eine wichtige gegnerische Forschungseinrichtung, die sich mit der Entwicklung von Satellitenwaffen befasst (der „Hammer der Morgenröte“ ). Diese Schlacht ereignete sich 16 Jahre vor „heute“.
Der zweite Handlungsstrang findet im „heute“ statt, und dieses „heute“ ist kurz nach dem Ende des ersten Spiels angesiedelt und befasst sich mit dem Kampf gegen die Horden der Locust und der Evakuierung eines für die KOR wichtigen Industriekomplexes durch die Gears.
Zusätzlich erfährt man durch kleinere Rückblenden, wie Dominic Santiago und besonders Marcus Fenix im Verlauf ihrer Kindheit und Jugend zu den Menschen wurden, die man aus vielen Stunden Gears of War 1 / 2 kennt, wie sich Dom und Marcus überhaupt kennen gelernt haben, wie Dom seinen Bruder in der Schlacht um Aspho Point verloren hat, und wie seine Frau Maria in sein Leben getreten ist.
Soviel mal zu den nüchternen Fakten.
Authentizität – und mehr Inhalt
Die für mich entscheidende Frage, als ich das Buch begonnen habe, war: Fühlt sich das Buch authentisch an, oder versucht da jemand, auf einer Erfolgswelle zu reiten, die er (oder eher sie) ohnehin nicht versteht?
Ich weiß nicht, wie oft Traviss GoW durchgespielt hat, aber sie muss es wirklich oft durchgespielt haben, denn sie trifft den Ton und die Atmosphäre des Spiels und seiner Protagonisten wirklich haargenau. Ich weiß nicht, wie sie das geschafft hat, aber ich höre quasi bei jedem Satz, den Marcus, Dom, Baird oder Cole im Buch sprechen, ihre Stimmen in meinem Kopf. Die knurrige Einsilbigkeit von Marcus, die teils impulsive, teils ruhige und besonnene Art von Dom, Bairds ständiges Gemecker, Coles großspurige Macho-Attitüden – all das ist im Buch wirklich absolut perfekt getroffen.
Auch die Atmosphäre des Spiels an sich ist hervorragend eingefangen worden. Die Brutalität des Kampfes gegen die Locust, inklusive des sehr deutlich beschriebenen Einsatzes des Kettensägen-Bajonetts der Lancer-Sturmgewehre. Die zerstörten Städte, in denen die wenigen Überlebenden versuchen, ein halbwegs normales Leben und ein gewisses Maß an Zivilisation unter unmenschlichen Bedingungen aufrecht zu erhalten. Die Abneigung, ja sogar der Hass, den die „Gestrandeten“ (die Menschen, die die KOR und damit ein Leben innerhalb der Mauern der zumindest noch halbwegs sicheren Stadt Jacinto ablehnen) den Gears entgegenbringen. Alle diese Elemente, die einem in den Spielen immer wieder begegnen, findet man auch vollkommen unverfälscht im Buch wieder.
Darüber hinaus legte Traviss besonderen Wert darauf, Marcus’ verschlossenen Charakter plausibel zu erklären, indem sie seine Kindheit und Jugend mehrmals kurz, aber deutlich thematisiert: Er stammt zwar aus einem sehr reichen und gebildeten Elternhaus, seine Eltern (besonders sein Vater) interessieren sich aber nicht wirklich für ihren Sohn, weswegen Marcus Zuflucht und Ansprache bei den Brüdern Carlos und Dominic findet.
Auch ansonsten trifft man viele Bekannte aus den beiden Spielen:
- Tai aus GoW2, dessen Hang zur Mystik, kombiniert mit einem absolut kranken, blutrünstigen Sinn für Humor, ebenfalls perfekt eingefangen wurde (faszinierenderweise wurde Tai im Buch erwähnt, bevor er seinen Auftritt in GoW2 hatte – man darf also spekulieren, wer hier von wem inspiriert wurde )
- Colonel Hoffman, auf dessen Befehl hin Marcus im Gefängnis zurückgelassen wurde (aus dem er am Beginn des ersten Spiels von Dom befreit wird) spielt ebenfalls eine tragende und wichtige Rolle
- Anya, die als Kontaktperson von Marcus und seiner Truppe im ersten Teil des Spiels nur eine Stimme hatte und dann in Teil zwei endlich auch eine Gestalt spendiert bekam (auch ihre Lebens- und Leidensgeschichte hat einen Platz in Aspho Fields)
Auch andere Figuren, die man aus den Spielen quasi so nebenbei erfahren hat, tauchen kurz oder auch mal etwas länger auf.
Kritik
Leider hat das Buch auch einige nicht gerade unwichtige Schattenseiten, denn besonders die Dinge, die ich mir von einer „offiziellen Vorgeschichte“ erwarte, werden meiner Ansicht nach nicht oder nur unzureichend aufgeklärt. Um das ganze mal chronologisch abzuarbeiten:
- Was machen die Menschen eigentlich auf dem Locust-Planeten Sera? Es ist anzunehmen, dass Sera wohl eine menschliche Kolonie irgendwo im Weltall ist, aber die Geschichte oder weitere Details des Planeten (mal abgesehen davon, dass ein Tag auf Sera 26 Stunden hat) werden leider nicht erwähnt.
- Die Pendulum-Kriege, die mehrere Jahrzehnte dauerten und sich zwischen der KOR (Koalition ordentlicher Regierungen) und der UUR (Union unabhängiger Republiken) abspielten (und die sich offenbar um die auf Sera vorhandene Imulsion drehten - die leuchtende Flüssigkeit, die den Menschen auf Sera zur Energiegewinnung dient) werden zwar erwähnt, aber nicht weiter erklärt. Letztlich ist das zwar konsequent, da dieser Konflikt derart lange dauerte, dass es ohnehin kaum noch Menschen gab, die sich an den Frieden davor erinnerten (und wenn der Krieg ein nicht hinterfragter Normalzustand ist, muss man ihn eigentlich auch nicht mehr wirklich erklären), aber eine kleine Erklärung zur Entstehung wäre dennoch nett gewesen.
- Der Tag der Ankunft der Locust wird zwar als Datum erwähnt, aber das war es dann schon – und das finde ich eigentlich von allen Kritikpunkten mit am schwerwiegendsten. Es wird nicht einmal angerissen, was die Locust eigentlich sind, wie die Menschen auf sie und die Bedrohung durch sie reagiert haben, oder wie die Zivilisation der Menschen nahezu ausgelöscht wurde. Im Prinzip waren sie plötzlich einfach da. Punkt.
- Das Verschwinden von Doms geliebter Frau Maria wird ebenfalls nur in ein paar kleinen Sätzen erwähnt, wenn Dom etwas aus der Vergangenheit erzählt oder an die Zeit zurückdenkt; der Vorgang an sich aber wird nicht erzählt oder erklärt.
- der Kriegsgerichtsprozess von Marcus werden ebenso lediglich im Vorbeigehen abgehandelt, wie seine darauf folgenden vier Jahre im Gefängnis. Zwar wird erklärt, Marcus habe in einem nicht weiter genannten Konflikt seinen Posten verlassen (um seinen Vater zu retten), weswegen offenbar einige Gears starben - was aber der konkrete Grund für Marcus’ Handlung war, wird ebenso wenig ausgeführt, wie der darauf folgende Prozess oder die Gefängnisstrafe. Auch hier hätte ich mir mehr Details erhofft, denn gerade die unmittelbare Vorgeschichte von GoW1 ist meiner Ansicht nach in einer „offiziellen Vorgeschichte“ ein absolutes Muss.
- Die Evakuierung des Industriekomplexes hätte gerne ein wenig besser ausgearbeitet werden dürfen; im Vergleich zu der Schlacht um Aspho Point ist der aktuelle Handlungsstrang doch ein wenig dürftig ausgefallen. Mir war zwar schon vorher klar, dass ich von dem Buch kein detailliert ausgearbeitetes militärisches Szenario a lá Tom Clancy erwarten kann (was sich auch auf die eigentliche Schlacht um Aspho Point bezieht), aber ein wenig mehr Spannung hätte die Handlung hier schon vertragen können.
Ein weiterer, genereller Kritikpunkt sind die gelegentlichen Schreib- und Übersetzungsfehler. Es macht mich schon in diversen Foren wahnsinnig, wenn ich statt „seit“ „seid“ lesen muss, aber in einem Buch, das eigentlich jemand hätte Korrektur lesen sollen, kann ich so etwas ebenso wenig nachvollziehen, wie ein (glücklicherweise einmaliges) „Bommer“ statt „Boomer“ oder „Lichtmassenbombe“ statt „Leichtmassenbombe“. Auch sind drei oder vier Sätze absolut schräg übersetzt (Mischung aus deutschem und englischem Satzbau) und schwer oder gar nicht zu verstehen. Ich habe wirklich eine Menge Bücher bei mir herumstehen, aber eine solche Schlampigkeit habe ich trotzdem noch nicht erlebt.
Fazit
Aspho Fields ist ein Buch für Fans, das Leute, die mit den Spielen gar nichts anfangen können, kaum fesseln können wird. Es ist zwar in sich schlüssig und könnte auch von denen verstanden werden, die die Abkürzung GoW für den Namen einer neuen Splitterpartei halten – der Reiz des Buches selbst dürfte aber diesen Leuten mit größter Wahrscheinlichkeit verschlossen bleiben.
Ich selbst habe es regelrecht verschlungen. Trotz der Schreibfehler, trotz der inhaltlichen Mängel, und trotz der ausbleibenden Aufklärung mancher Punkte hatte ich es innerhalb von weniger als 24 Stunden durchgelesen (wobei ich sehr schnell lese) und nur zum Schlafen aus der Hand gelegt – und ich weiß zwar, dass es garantiert keines meiner absoluten Lieblingsbücher werden wird, dass ich es aber dennoch mehrfach lesen werde. Mit größeren Abständen zwar, aber es hat mich trotz der beschriebenen Mängel durchaus in seinen Bann gezogen – nicht zuletzt, weil Karen Traviss es geschafft hat, die Atmosphäre der Spiele nahezu perfekt in Worte zu fassen. Und ich denke, das nächste Buch der Reihe, „Jacinto’s Remnant“, werde ich mir ebenfalls kaufen, sobald es auf Deutsch erschienen ist.
Kurz: Ein Buch für Fans und Liebhaber der Serie, das leider teilweise schlampig übersetzt wurde und manchen haarsträubenden Schreibfehler aufweist. Ich fand es toll zu lesen, aber es wäre mehr drin gewesen: 7,5 / 10
ChrisChris für Forumla
- Tai aus GoW2, dessen Hang zur Mystik, kombiniert mit einem absolut kranken, blutrünstigen Sinn für Humor, ebenfalls perfekt eingefangen wurde (faszinierenderweise wurde Tai im Buch erwähnt, bevor er seinen Auftritt in GoW2 hatte – man darf also spekulieren, wer hier von wem inspiriert wurde )
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24.10.2009, 20:22 #2Pocketboss
AW: Gears of War: Aspho Fields
Super Review zum Buch^^ bei vielen kritikpunkten etc. gebe ich dir vollkommen recht. Ich persönlich finde das Buch auch im endeffekt ganz gut und warte auch noch auf ,,Jacinto’s Remnant'' (Deutsche version) xDDD
ps. Das mit den schreibfehlern ist mir auch aufgefallen, hoffentlich ist das in ,,Jacinto’s Remnant'' nicht so schlampig^^.
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