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Thema: Drood - Dan Simmons
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14.10.2010, 12:00 #1Raul Endymion
Drood - Dan Simmons
Klappentext:
London im Juni 1865: Bei einem dramatischen Eisenbahnunglück finden etliche Menschen den Tod. Unter den Überlebenden ist der bedeutendste Schriftsteller seiner Zeit, Charles Dickens. Doch nach diesem Ereignis ist Dickens nicht mehr derselbe: Wie besessen macht er sich auf die Suche nach einem mysteriösen Mann namens Drood. Aber wer oder was ist Drood wirklich? Und kann es sein, dass Charles Dickens in seinen letzten Lebensjahren zum kaltblütigen Mörder wird?
Buch:
Am 09. Juni 1865 kommt es in der Nähe der Stadt Staplehurst, in der Grafschaft Kent zu einem dramatischen Eisenbahnunglück, als der Zug mitsamt den Passagierwagons von einer Brücke stürzt. Bei dieser Katastrophe finden viele der Passagiere den Tod und zahlreiche weitere werden schwer verletzt. Unter den Überlebenden befindet sich Charles Dickens, der zu dieser Zeit berühmteste Schriftsteller Englands. Während Dickens versucht den Verletzten zu helfen, begegnet er einem mysteriösen Mann mit schwarzem Umhang der zwischen den Schwerverletzten umherwandelt.
Seit diesem Vorfall scheint Dickens verändert zu sein. Seinem gutem Freund, dem opiumsüchtigen Autor Willkie Collins berichtet Dickens von der Begegnung mit diesem seltsamen Mann mit dem ominösen Namen "Drood". Ganz besessen von Drood, macht sich Dickens zusammen mit Willkie Collins auf die Spurensuche nach Drood. Zusammen folgen die beiden Autoren den Spuren, die sie in die Elendsviertel des viktorianischen Londons und auch in die "Unterstadt" führt; eine Parallelwelt zu dem viktorianischen London an der Oberfläche, die sich über endlose labyrinthartige Stollen und Abwasserkanäle hinzieht.
Am Anfang hält Willkie Collins die Erzählungen seines Freundes noch für traumatische Wahnvorstellungen, resultierend aus dem Eisenbahnunglück, doch je weiter die Nachforschungen voranschreiten, desdo mehr gerät Collins in den Bann der Geschehnisse um Drood. Als sich immer mehr rätselhafte Ereignisse und seltsame Zwischenfälle ereignen, ist Collins davon überzeugt, dass Dickens nicht mehr Herr seiner Sinne ist und längst zu einem willenlosen Handlanger Droods geworden ist. Willkie Collins ist fest entschlossen diese Geschichte zu beenden...
Mit "Drood" hat der von mir sehr geschätzte Dan Simmons ein weiteres Werk abgeliefert, welches eindrucksvoll beweist was für ein Einfallsreichtum in ihm steckt. Wie schon von Simmons gewohnt, verwebt er hier wieder recht intelligent historische Fakten und phantastische Fiktion miteinander, ohne sich jedoch auf ein Genre festlegen zu lassen. Ein wenig Biographie von Charles Dickens, etwas Krimi und eine Prise Geistergeschichte, dazu noch eine Gesellschaftsstudie über das Leben im viktorianischen England des 19. Jahrhunderts, ein Einblick in die Bibliographie von Dickens und Collins; eben von Allem ein wenig.
Dadurch ist es natürlich nicht verwunderlich, dass "Drood" mit ~960 Seiten, wieder einmal für Simmons typische Ausmaße annimmt.
Aus der Sicht von Willkie Collins erzählt Dan Simmons über die letzten Jahre im Leben von Charles Dickens. Dabei spricht Collins den "Leser aus der fernen Zukunft" auch direkt an und schildert sehr anschaulich die Beziehung der beiden Schriftsteller, der unterbewußte Neid auf den viel erfolgreicheren Dickens, die spannende Suche nach Drood und auch über die Entstehungsgeschichte vieler Werke der beiden Autoren. Eingerahmt wird das Ganze durch eine authentische Schilderung der Lebensumstände im England des 19. Jahrhunderts. Die unterschiedlichen Lebensverhältnisse von erfolgreichen Autoren in der gesellschaftlichen Oberschicht und die von den Verlierern der Gesellschaft in den Elendsvierteln, Opiumhöhlen und unterirdischen Katakomben.
Je weiter der Leser den Schilderungen von Collins folgt und dadurch auch den Veränderungen von Simmons auf seiner Suche nach Drood, desdo häufiger wird nach und nach deutlich, dass Collins selbst, aufgrund seines Gesundheitszustandes und chronischer Schmerzen, immer mehr in eine radikale Abhängigkeit von Laudanum und Morphium abgleitet und ohne die Droge überhaupt nicht mehr fähig ist das Haus zu verlassen. Bald schon plagen ihn immer mehr seltsame Visionen von seinem eigenen Doppelgänger der seine Bücher schreibt. Wie glaubwürdig sind die Schilderungen über Dickens eigentlich die Collins dem Leser hier vermittelt...?
Was man Simmons auf jedenfall niemals nachsagen wird, ist der Vorwurf der Ideenlosigkeit oder des endlosen Wiederholens eines bestimmten Schemas. Der Aufwand an Recherchen der für dieses Buch über das viktorianische England, über das Leben von Dickens und Collins, sowie deren Werke getätigt wurde ist schlichtweg beeindruckend. Selbst wenn man kein Buch von Dickens kennt, oder eines von Collins (was wohl recht wahrscheinlich ist, mir war er jedenfalls bis dato unbekannt), so bekommt man hier eine ordentliche Portion Wissen verpasst. Nicht umsonst scheint Simmons sich hier an dem letzten, unvollendeten Werk von Dickens, "Das Geheimnis des Edwin Drood" orientiert zu haben und um dessen Geheimnis eine Geschichte gesponnen zu haben.
Das Geheimnis des Edwin Drood
"Drood" ist auf jeden Fall originell und bietet eine unterhaltsame Lesekost, die jedoch wegen ihrer biographischen und biblioprgapischen Elemente über Collins und Dickens etwas anspruchsvoll ist, erfährt man doch recht ausführlich wie es womöglich zu den einzelnen Werken der beiden Schriftsteller gekommen sein mag. Daher dürfte der Roman wahrscheinlich auch nicht jedem zusagen. Freunden klassischer "Straight-Forward" Kost sei auf jeden Fall abgeraten. Wer jedoch an origineller phantastischer Literatur, das 19. Jahrhundert, Charles Dickens und dessen Leben interessiert ist, sollte ruhig mal einen Blick wagen.
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